Regionalplan unausgewogen

  • Planungsentwurf mit maximalem Angebot für die Windkraftindustrie; minimale Berücksichtigung anderer Schutzgüter und Maximum an Konfliktpotentialen

Bei der vorliegenden Teilfortschreibung des Regionalplans Windenergie des Verbandes Region Stuttgart wurden alle Orte für welche im Windatlas ein „ausreichendes Winddargebot“, berechnet wurde und denen keine rechtlichen sowie planerischen Vorgaben entgegenstehen, als potentielle Vorranggebiete ausgewiesen. Eine Abwägung mit anderen Schutzgütern hat bisher nicht stattgefunden.

Diese Planung beinhaltet somit alle Standorte, welche ein rationaler Investor ebenfalls in einem ersten Suchlauf ermittelt hätte. Eine Steuerungswirkung ist von so einer Planung nicht zu erwarten.

  • Der Verband Region Stuttgart hat als Planungsträger jedoch ein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept vorzulegen, das den allgemeinen Anforderungen des planungsrechtlichen Abwägungsgebots gerecht wird. Um eine Steuerung der Standorte zu erreichen, ist eine Bewertung, Priorisierung und Reduzierung der Standorte auf die erforderliche und sinnvolle Anzahl geboten!

Diesen Anforderungen wird der Anhörungsentwurf zum Regionalplan nicht gerecht. Die Verpflichtung zur sachgerechten Teilfortschreibung des Regionalplanes wird nicht erfüllt. Es handelt sich um eine „Maximalkulisse“.

Ein maximales Angebot an Standorten für Windkraftanlagen und damit für die Windkraftindustrie bedeutet jedoch gleichzeitig eine minimale Berücksichtigung anderer Schutzgüter. Somit resultiert aus dieser Planung auch ein Maximum an Konfliktpotentialen.

  • Dies kann nicht Ziel einer vernünftigen Politik sein. Vielmehr ist eine ausgewogene Planung anzustreben, welche alle Interessen berücksichtigt!

Laut Windenergieerlass ist zur Deckung von 10% der Stromerzeugung aus heimischer Windkraft bis zum Jahr 2020 der Bau von zusätzlich 1.200 Windkraftanlagen in Baden-Württemberg erforderlich. Der vorliegende Regionalplanentwurf sieht nun 96 Vorranggebiete vor und der Planungsdirektor Thomas Kiwitt wird in der Presse zitiert, dass er 500 Windkraftanlagen in der Region Stuttgart für möglich hält.

Hier stellt sich die Frage, warum über 40% der zusätzlich in Baden-Württemberg benötigten Windkraftanlagen in der dicht besiedelten Industrieregion Stuttgart stehen sollen. Dies zeigt wie überdimensioniert und maßlos der Planungsentwurf ist.

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  • Niedrigste Schutzbestimmungen in der Region Stuttgart; Verband Region Stuttgart entzieht sich seiner Planungsverantwortung

Der vorliegende Anhörungsentwurf orientiert sich am Windenergieerlass Baden-Württemberg. Die in diesem Erlass gegebenen Planungshinweise, beschreiben jedoch nur Mindeststandards zum Schutz anderer Schutzgüter vor den Umweltauswirkungen von Windkraftanlagen.

  • Der Verband Region Stuttgart ist in seiner Planung jedoch autonom und kann eigene Standards definieren. Hierauf wird im Windenergieerlass auch ausdrücklich hingewiesen. Die anderen Regionen haben diese Möglichkeiten genutzt, z. B Region Ostwürttemberg, Region Südlicher Oberrhein.   Ostwürttemberg

 Warum ausgerechnet in der am dichtesten besiedelten Region Stuttgart die niedrigsten Schutzanforderungen gelten, ist nicht nachvollziehbar. Die Region als Planungsträger hat, unter Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und Abwägung aller öffentlichen und privaten Belange, eigenständige planerische Entscheidungen zu treffen; sie entzieht sich jedoch jeder planerischen Verantwortung.

  • Der Planungsentwurf der Region Stuttgart ist somit einzigartig, weil radikal und extrem. Im Sinne einer ausgewogenen Planung, sollte der Verband Region Stuttgart die gegebenen Handlungsspielräume nutzen und eine den Erfordernissen der Region entsprechende Planung vorlegen.

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  • Sachgerechte Abwägung der verschiedenen Belange findet nicht statt; Regionalplan wird seinem zentralen Zweck nicht gerecht 

Der Regionalplan soll Vorranggebiete für regionalbedeutsame Windkraftanlagen festlegen und bewerten. Die Bestimmung der Beeinträchtigungen anderer Schutzgüter durch diese Vorranggebiete findet jedoch in vielen Fällen nicht statt und wird auf nachgelagerte Planungsebenen oder konkrete Anlageprüfungen „delegiert“. Als Grund wird i.d.R. angegeben, dass eine Bewertung nicht möglich sei, da Anzahl und Typ der Windkraftanlagen mit denen die Standorte bebaut werden sollen, nicht bekannt sei bzw., dass eine Bewertung aufgrund unzureichender Datenlage derzeit nicht möglich sei.

In den Steckbriefen wird in einer Gesamtbeurteilung beschrieben, auf welche Schutzgüter   Umweltauswirkungen zu erwarten sind. Die Auswirkungen selbst, werden jedoch nicht dargestellt.

  • Ein Planungsträger muss die verschiedenen Belange abwägen. Es genügt nicht, nur pauschal darauf hinzuweisen, dass Umweltauswirkungen in erheblichem Umfang zu erwarten sind.

Hiermit wird der Regionalplan in seinem zentralen Kern seinem Zweck nicht gerecht, denn diese Gebiete sind aus regionalplanerischer Sicht zu bewerten und nicht aus lokaler oder projektspezifischer Sicht. Dies wird auch im Windenergieerlass so gefordert.

  • Eine Bewertung kann mit Referenzanlagen vorgenommen werden, z.B. Enercon E 82. Da die Region das Ziel hat, Anlagen zu Anlagegruppen zu bündeln, könnten als Referenzprojekt drei Anlagen des Typs E 82 herangezogen werden. Andere Regionen verfahren in solchen Fällen in ähnlicher Weise.
  • In Fällen einer unzureichenden Datenlage sollte die Ausweisung dieser Vorranggebiete zurückgestellt werden. Eine Priorisierung der Windkraft gegenüber anderen regionalplanerischen Zielen ist ohne eine belastbare Datenbasis für die Bestimmung der Beeinträchtigungen nicht vertretbar.

Hiervon sind insbesondere betroffen: Vogelschutzgebiete, FFH-Gebiete, Biotopflächen, Vogel-Zugkorridore, Wasserschutzgebiete und Immissionsschutzwälder.

Als besonders gravierend ist anzumerken, dass keine Beurteilung der Auswirkungen auf das Landschaftsbild im Regionalplan stattfindet und hierbei auf die Ebene der Anlagenplanung verwiesen wird. Immerhin liegen 27% der Vorranggebiete in Landschaften mit hoher bis sehr hoher landschaftlicher Schönheit, d.h. hier besteht eine hohe Empfindlichkeit des Landschaftsbildes. Wo sonst, als im Regionalplan soll die Auswirkung von regional bedeutsamen Windkraftanlagen erfolgen?

Durch die nicht vorgenommenen Prüfungen, sind die einzelnen Vorranggebiete mit einer sehr großen Unsicherheit hinsichtlich ihrer Eignung behaftet und die Vollzugsfähigkeit dieser Planung und Vorranggebiete damit mehr als unsicher.

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  • Planung sieht pauschale Massen-Ausnahmegenehmigungen vor

Der größte Teil der Vorranggebiete befindet sich in Gebieten, in denen andere Schutzgüter den Bau von Windkraftanlagen grundsätzlich ausschließen. Der Ausweis von Vorranggebieten für Windkraftanlagen stellt hier somit eine „Ausnahmegenehmigung“ dar. Dies betrifft insbesondere Gebiete des Regionalen Grünzugs, Landschaftsschutzgebiete, NATURA 2000 Gebiete, Vogelschutzgebiete, Gebiete für Naturschutz und Landschaftspflege, Erholungswald usw.. Der Ausweis von 96 Vorranggebieten, ohne eine weitergehende Prüfung im Einzelfall, kommt einer pauschalen Massen-Ausnahmegenehmigung gleich. In der Regel werden bei jedem Vorranggebiet auch gleich mehrere Schutzgüter verletzt.

Diese Vorgehensweise kann die Berücksichtigung öffentlicher und persönlicher Belange nicht sicherstellen, bzw. es kann davon ausgegangen werden, dass diese Belange in erheblichem Umfang verletzt werden. Solch weitgehende pauschalierte Ausnahmeregelungen sind deshalb nicht sachgerecht!

  • Vielmehr sollte zu jedem Vorranggebiet eine Einzelfallprüfung erfolgen.

Obwohl die Anzahl potentieller Vorranggebiete in der Region Stuttgart bereits überhöht ist, wurden Aufträge erteilt, um in Gebieten, in denen dem Bau von Windkraftanlagen andere Vorschriften entgegenstehen, die Möglichkeit von Ausnahmen zu prüfen. Dies betrifft: Landschaftsschutzgebiete, Vogelschutzgebiete und Naturparks.

  • Es ist nicht nachvollziehbar, warum bereits im Stadium des Anhörungsentwurfes nach Ausnahmen gesucht wird, um Windkraftanlagen in Gebieten in denen sie nicht hingehören, zu finden. Dies sollte unterbleiben!

In diesen Fällen sind zudem nur singuläre und keine großflächigen Eingriffe zugelassen. Einzelfallentscheidungen sind in diesen Fällen immer erforderlich und Interessenabwägungen zwingend.

Eine regional- und bauplanerische Festlegung / Darstellung muss „vollzugsfähig“ sein, sonst handelt es sich um eine rechtlich „nicht erforderliche Planung“, die unwirksam ist.

  • Die öffentlichen und persönlichen Belange der betroffenen Gemeinden und Bürger sind zwingend bereits im Rahmen der Regionalplanfortschreibung umfassend zu berücksichtigen und abzuwägen.

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Hier das Papier zum herunterladen und ausdrucken: Regionalplanung

30.11.2012