Windkraft im Schurwald

Zu wenig Wind über dem Schurwald

Die Stadtwerke Esslingen (SWE) und die EnBW haben am 15.07.2015 bekannt gegeben, dass sie den geplanten Windpark am ES-03 Burgstall / Weißer Stein (Esslingen / Altbach / Plochingen) nicht bauen werden, weil der Betrieb des Windparks Schurwald nicht wirtschaftlich darstellbar ist.

Seit Mai 2014 wurde mit zwei verschiedenen Methoden, einem Windmessmast und einem LIDAR-System, die Windgeschwindigkeit gemessen. Hierbei wurde festgestellt, dass die durchschnittliche Windgeschwindigkeit in 140 m über Grund nur ca. 5,0 m /sec. beträgt, dies entspricht ca. 4,8 m / sec. auf 100 Meter über Grund.

Gem. Windenergieerlass der grün-roten Landesregierung gilt eine Windgeschwindigkeit von 5,3 – 5,5 m /sec. in 100 Meter über Grund als Mindestvoraussetzung für einen Windkraftstandort.

Es wurde nicht nur die Wirtschaftlichkeitsgrenze für Windkraftanlagen (80% Referenzertrag = > 6,0 m/ sec. 100 m ü.G.) klar verfehlt, sondern auch die Mindestvoraussetzung für einen Windkraftstandort überhaupt.

Für den Windatlas wurden für diesen Standort dagegen noch bis 6,0 m / sec. berechnet (100 m. ü.G.).

Dies ist auch kein Einzelfall:

Am Standort WN-34 Goldboden haben KommunalWind / JUWI ihre Pläne, Windkraftwerke zu errichten, ebenfalls wegen fehlender Wirtschaftlichkeit aufgegeben (Schorndorfer Nachrichten, 11.07.2015).

Bei GP-03 Weinstraße wurden 5,7 m /sec. auf 140 m ü.G. gemessen (Windatlas bis 6,5 m / sec.), dies entspricht ca. 5,4 m /sec.  auf 100 m ü.G.. Obwohl auch hier die Mindestvoraussetzungen nicht sicher erfüllt sind, möchte ein Konsortium kommunaler Stadtwerke trotzdem mit 4 Windkraftwerken weitermachen (Stuttgarter Zeitung 19.07.2015).

Wieder einmal bestätigt sich, dass für den Windatlas viel zu hohe Windgeschwindigkeiten errechnet wurden und er keine seriöse Grundlage für die Planung von Windkraftstandorten ist. Nachdem an drei Standorten nachgewiesen wurde, dass die Windhöffigkeit nicht für einen wirtschaftlichen Betrieb von Windkraftwerken ausreicht, kann man davon ausgehen, dass dies auch an allen anderen Windkraftstandorten auf dem Schurwald so ist.

Stuttgarter Zeitung 15.07.2015: Ziemliche Flaute auf dem Schurwald

Esslinger Zeitung 16.07.2015: Dem Windpark geht die Puste aus

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1.    Der Schurwald ist bisher ein unbelasteter Bereich

 

Der Schurwald ist ein bisher von Industrieanlagen vollkommen unbelasteter Bereich. Nun sollen fast auf jeder Bergkuppe Vorranggebiete ausgewiesen werden. Dies widerspricht den Planungsgrundsätzen des Verbandes Region Stuttgart.

Vorranggebiete Lichtenwald

 

 

2.    Windkraftanlagen zerstören Landschaften und Horizonte im Schurwald

 

Der Bau von Windkraftanlagen verbraucht und zerstört das natürliche Landschaftsbild und führt zu einer Industrialisierung der Landschaft. Windkraftanlagen auf Bergkuppen verbrauchen und zerstören zusätzlich aber auch Horizonte. Es geht um die große Perspektive unseres Landschaftsbildes.

 

Die markanten Höhenrücken des Schurwaldes gestalten den Charakter der gesamten Region. Hier errichtete Windkraftanlagen wären im gesamten Landkreis Esslingen, aber auch den Landkreisen Waiblingen und Göppingen, sichtbar.

 

Das Vorranggebiet ES-04 Probst befindet sich am Eingangstor vom Neckartal in das Filstal in einer markanten Höhenlage. Die Errichtung von Windkraftanlagen würde hier einen besonders groben Eingriff in das Landschaftsbild bedeuten (Landschaftsbildanalyse 100%).

 

Gemäß Bundesnaturschutzgesetz sind das Landschaftsbild auf seine Vielfalt, Eigenart und Schönheit zu schützen, sowie sein Erholungswert zu bewahren.

 

Zu berücksichtigen ist bei der Beurteilung von Standorten für Windkraftanlagen insbesondere deren Bedeutung als Naturlandschaft und als historisch gewachsene Kulturlandschaft. Ferner zu berücksichtigen sind die Sichtbarkeit der Anlagen in der Landschaft im Hinblick auf ihre Nah- und Fernwirkung, einschließlich der Minderung des Erholungswertes sowie die Unberührtheit der Landschaft oder Vorbelastungen durch technische Infrastruktur.

 

Bei Windkraftanlagen ist auf Grund von deren Größe, Gestalt, Rotorbewegung und Beleuchtung von einer erheblichen Beeinträchtigung des Landschaftsbildes auszugehen. Sie treten als Fremdkörper in Erscheinung und haben einen negativ prägenden Einfluss auf das Landschaftsbild.

 

Diese Beeinträchtigung des Landschaftsbildes kann auch nicht durch landschaftsgestaltende Maßnahmen kompensiert werden. Deshalb bedarf es hier im Einzelfall einer besonders sorgfältigen Abwägung.

 

Zum Schutz von Landschaft und Horizonten werden in anderen Bundesländern die Höhen und prägende Konturen des Landes von Windkraftanlagen freigehalten. Niedersachsen baut keine Windkraftanlagen im Harz, im Teutoburger Wald oder im Weserbergland. Auch Rheinland-Pfalz hält besonders wertvolle Gebiete der Eifel, der Mosel und der Ahr von Windkraftanlagen frei.

Der Schurwald ist der Voralblandschaft zuzuordnen und ist eine natürliche Geländestufe vor dem Albtrauf. Alle Sichtbeziehungen von den Schurwaldhöhen zur Schwäbischen Alb und zur „Blauen Mauer“ des Albtraufes würden verstellt werden. Das Gleiche gilt für die Sichtbeziehungen zu den Landmarken des Hohenneuffen und des Teckberges, ebenso zu den Kaiserbergen.

 

 

3.    Der Schurwald ist bisher durch viele Schutzgebiete geschützt

 

Viele Vorranggebiete liegen in Landschaftsschutzgebieten bzw. grenzen direkt daran an. Der Schutzzweck dieser Landschaftsschutzgebietes ist der Erhalt der typischen Schurwaldlandschaft und somit die Sicherung der naturnahen Landschaft als Freiraum und als Naherholungsgebiet. Die Errichtung von 200 Meter hohen Industrieanlagen steht diesem Schutzzweck direkt entgegen.

 

Ferner liegen diese Vorranggebiete teilweise in NATURA 2000 / FFH-Gebieten, grenzen direkt daran an oder befinden sich in geringem Abstand hiervon. Diese Schutzgebiete sind aus den Vorranggebieten auszunehmen und ein Vorsorgeabstand von 200 Meter einzuhalten, darüber hinaus ist zu prüfen, ob die Erhaltungsziele und Schutzzwecke dieser Schutzgebiete durch die Errichtung von Windkraftanlagen gefährdet werden.

 

 

4.    Der Schurwald ist bisher ein regionaler Erholungsschwerpunkt und eine bedeutende Naherholungszone

 

Der Schurwald stellt ein besonders bedeutsames Naherholungsgebiet für die Bewohner des Neckar- und Filstales, sowie des Remstals, als auch für die Bevölkerung des Schurwaldes selbst, dar.

 

In unmittelbarer Nähe des geplanten Vorranggebietes ES-04 Probst befindet sich mit dem Naturfreundehaus (Schurwaldhaus), sowie dem angrenzenden Wochenendhausgebiet und Campingplatz, ein Schwerpunktraum für Tourismus und Erholung (Fremdenverkehr). Hier ergibt sich zudem eine besondere Aussichtsituation vom Höhenweg östlich von Hegenlohe.

 

Eine besondere Bedeutung für die Naherholung hat auch der Bereich des geplanten Vorranggebietes ES-02 Sümpflesberg wo sich mehrere Wanderparkplätze befinden. In unmittelbarer Nähe liegt das Naturdenkmal Lindenallee.

 

 

5.    Der Schurwald ist ein zusammenhängendes Waldgebiet

 

Der Schurwald bildet ein großes, zusammenhängendes, noch relativ ruhiges Waldgebiet, das zudem eine ganze Reihe von seltenen, strukturreichen und schützenswerten Waldbeständen und Biotopen, aber auch Lebensräume für viele geschützte Tier-, insb. Vogelarten (z.B. Fledermäuse, Rotmilan) aufweist. Viele Vorranggebiete liegen im Erholungswald. Es handelt sich hier um einen gewachsenen Mischwald, mit strukturreichen Althölzern. Das Positionspapieres des Bundesamtes für Naturschutz vom Juli 2011, sowie die Positionen der Naturschutzverbände, sollten Berücksichtigung finden. Südöstlich des Gebietes WN-34 Goldboden befindet sich ein Schonwald. Die Gebiete ES-04 Probst und WN-34 Goldboden liegen zudem im Wildtierkorridor.


6.    Der Schurwald wird durch Vorranggebiete räumlich überlastet und Siedlungen werden umzingelt

 

Ein räumlicher Überlastungsschutz und die Vermeidung der Umzingelung von Siedlungen gehört zu den Planungsgrundsätzen des Regionalverbandes; jedem Siedlungsbereich soll mindestens ein unbeeinflusster Sichtbereich verbleiben. Im Umkreis von 10 km von Baltmannsweiler und Lichtenwald, sind jedoch 18 Vorranggebiete geplant. Vielen anderen Orten wird es ähnlich ergehen. Dies bedeutet eindeutig eine räumliche Überlastung und Umzingelung. Von freien Sichtachsen kann hier keine Rede sein. Hier sind entsprechende Anpassungen der Planung vorzunehmen!

 

Zwischen den einzelnen Vorranggebieten soll ferner ein Mindestabstand von 3 km eingehalten werden. Dieser Abstand wird regelmäßig unterschritten, in vielen Fällen beträgt er nicht einmal 2 km. Dieser Mindestabstand ist in jedem Fall einzuhalten und die betroffenen Vorranggebiete entsprechend zurückzunehmen. In vielen Bundesländern beträgt der Mindestabstand zwischen Vorranggebieten 5 km. Diese Regelung sollte auch für die Region Stuttgart übernommen werden.

 

7.    Der Schurwald wird zu einem Flickenteppich mit unwirtschaftliche Standorten

 

Im Schurwald werden viele Kleinststandort (< 20ha) ausgewiesen. Entsprechend dem Planungsgrundsatz der erhöhten Wirtschaftlichkeit und Flächen- bzw. Standortkonzentration sollen Windkraftanlagen zu Gruppen gebündelt werden. Deshalb sollten alle potentiellen Vorranggebiete an denen nicht mindestens 3 Anlagen (des Referenztyps Enercon E 82) errichtet werden können bzw. die kleiner 20 ha sind, nicht weiterverfolgt werden. Andere Regionen verfahren in ähnlicher Weise.

 

Die relative Wirtschaftlichkeit der einzelnen Vorranggebiete ist zu bewerten, hierbei sollten die Kosten des Netzanschlusses und der verkehrstechnischen Erschließung der einzelnen Gebiete in die Bewertung einbezogen werden.

 

8.    Der Schurwald ist bereits durch die Einflugschneise des Flughafen Stuttgart stark belastet

Der Schurwald liegt in der Einflugschneise des Flughafens Stuttgart, wo Schallpegel von über 75 dB(A) auftreten, teilweise auch zu Nachtstunden. Eine zusätzliche Lärmbelastung durch Windkraftanlagen ist deshalb für dieses Gebiet nicht hinnehmbar.

 

 

9.    Der Schurwald ist die Heimat vieler geschützter Tierarten

 

Im Schurwald gibt es bedeutsame Fledermausvorkommen. Auch der Rotmilan ist in diesen Waldgebieten beheimatet. Die potentiellen Vorranggebiete befinden sich im Bereich der Brut- und  Nahrungshabitate dieser Tiere.

 

Für beide Tierarten stellen Windkraftanlagen besondere Gefahrenquellen dar. Sie haben durch diese Anlagen ein signifikant höheres Tötungs- und Verletzungsrisiko; zudem kommt es zu einer erheblichen Scheuchwirkung.

 

Eine artenschutzrechtliche Prüfung ist zwingend erforderlich. Insbesondere ist jedoch eine Vorabschätzung zur Betroffenheit von windenergieempfindlichen Arten durchzuführen.    Position Naturschutzverbände


10.  Der Schurwald hat keine ausreichende Windhöffigkeit

 

Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob auf dem Schurwald ein ausreichendes Windaufkommen gegeben ist, um sinnvoll Windkraftanlagen betreiben zu können.

 

Das Deutsche Windenergie-Institut in Wilhelmshaven (DEWI) hält den wirtschaftlichen Betrieb von Windkraftanlagen ab ca. 2.000 Volllaststunden im Jahr (Auslastungsgrad 22,8%) für möglich. Bestehende Windkraftanlagen in Baden-Württemberg haben im Durchschnitt der letzten Jahre eine Auslastung von nur 13% (1.155 Volllaststunden).

 

Die  im  Windatlas  für  den  Schurwald  errechnete  Windhöffigkeit  liegt  zwischen 5,25 – 6,0 m/sec. in 100 Meter über Grund. Wie sich in der Praxis herausgestellt hat, sind diese Rechenwerte meist zu hoch. Die angegebene Unsicherheit beträgt +/- 0,25 m/sec.. Für Standorte in Waldgebieten ist wegen der „Rauigkeit des Waldes“ ein Abschlag von 0,5 m/sec. in Abzug zu bringen. Somit bewegen sich diese Rechenwerte um oder unter dem Schwellenwert von 5,5 m/sec., ab dem Standorte entwickelt werden sollen.

 

Damit kann für die meisten potentiellen Vorrranggebiete nicht einmal rechnerisch sichergestellt werden, dass die Ertragsschwelle von 60% des EEG-Referenzertrages (5,5 m/sec. in  100 Meter über Grund) bzw. 80% des EEG-Referenzertrages (6,0 m/sec. in 100 Meter über Grund) erreicht werden kann. Es wird somit an keinem Standort die Windhöffigkeit erreicht, die ein überwiegendes öffentliches Interesse rechtfertigen würde.

 

Durch Windkraft im Schurwald kann kein vernünftiger und substanzieller Beitrag zur Energiewende erbracht werden.

Windatlas

Wirtschaftlichkeit

 

Fazit:

Windkraftanlagen führen zu schwerwiegende Beeinträchtigung für Mensch und Gesundheit, Landschaft und Erholung, sowie Flora und Fauna.

Dem steht kein adäquater Nutzen gegenüber!

Ein vernünftiger Beitrag zur Energiewende kann durch Windkraft im Schurwald nicht geleistet werden. Auch ist der Betrieb von Windkraftanlagen volkswirtschaftlich hier nicht sinnvoll.

Der Ausweis von Vorranggebieten im Schurwald ist deshalb nicht zu rechtfertigen und somit unzulässig.

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Stellungnahme Landkreis Esslingen

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Hier das Papier zum ausdrucken: Regionalplan Schurwald

30.11.2012