WN-34 Goldboden: Verwaltungsgerichtshof lehnt Eilantrag – aus formellen Gründen – ab

Windhöffigkeit ist unerheblich

Auswirkungen auf Vögel und Fledermäuse müssen nicht geprüft werden

Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für das Windindustrieprojekt WN-34 Goldboden (Winterbach) wurde der EnBW am 02.12.2016 vom Landratsamt Rems-Murr-Kreis (Waiblingen) erteilt. Gleichzeitig wurde die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet, d.h. die EnBW durfte sofort mit dem Bau beginnen, obwohl die Genehmigung (bis heute) noch nicht rechtskräftig ist.

Privatpersonen (Baunachbarn) haben nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten rechtlich gegen die Genehmigung von Windindustrieanlagen vorzugehen. Um überhaupt klageberechtigt zu sein, müssen sie eine persönliche Betroffenheit (Beeinträchtigung) durch die Windindustrieanlagen nachweisen. In der Sache selbst können Privatpersonen durch Gerichte nur überprüfen lassen, ob die Genehmigungsbehörde  formelle Fehler bei der Genehmigung gemacht hat oder ob sie in ihren Rechten (z.B. wegen Lärm) verletzt sind.

Ein Mitglied unserer Bürgerinitiative hat am 10.01.2017 gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung der drei Windindustrieanlagen am Goldboden Widerspruch eingelegt und einen Eilantrag zur Aufhebung der sofortigen Vollziehbarkeit [auf Baustopp] beim Verwaltungsgericht Stuttgart eingereicht.

Das VG-Stuttgart hat am 02.06.2017 entschieden den Eilantrag mangels Antragsbefugnis nicht zuzulassen. Es hat sich also inhaltlich gar nicht mit der Antragsbegründung auseinandergesetzt.

Dagegen hat der Antragsteller am 17.07.2017 Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) eingelegt. Der  VGH hat den Eilantrag nun zugelassen und am 25.01.2018 entschieden.

Aus prozess- und verfahrensrechtlichen Gründen  wurde der Antrag jedoch abgelehnt:

  1. Der VGH sieht keine formellen Mängel der Genehmigung

Es sei rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landratsamt als Genehmigungsbehörde nach einer standortbezogenen Vorprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht für erforderlich gehalten habe.

Die anspruchslose „standortbezogene Vorprüfung“ sei ausreichend, weil nur die drei Windindustrieanlagen am Goldboden für sich alleine zu beurteilen seien. Obwohl sich die Einwirkungsbereiche der 6 Windindustrieanlagen am WN-34 Goldboden und ES-02 Sümpflesberg überschneiden (3.200 Meter Entfernung),  reiche diese minimale Prüfung aus, da die Anlagen in unterschiedlichen Vorranggebieten stehen. Es sei kein „funktionaler Zusammenhang“ der Windindustrieanlagen an den beiden Standorten „ersichtlich“.

Aufgrund der formellen Gebietsausweisung bleibt die tatsächliche Situation also unberücksichtigt:

Bei der standortspezifischen Vorprüfung werden nur Belastungen von Schutzgebieten am Standort der Windindustrieanlagen beurteilt. Nicht berücksichtigt werden dagegen die Eigenschaften (Merkmale) und Auswirkungen des Windindustrieprojektes, wie z.B. seine Größe, Auswirkungen auf Natur und Landschaft, Belästigungen, betroffene Bevölkerung, bestehende Nutzung des Standortes als Wald, usw.

Auch die Auswirkungen auf Vögel und Fledermäuse müssen nicht geprüft werden, weil die Windindustrieanlagen nicht in einem Schutzgebiet für windkraftempfindliche Tiere stehen.  Mängel des ornithologischen Gutachtens und des Fledermausgutachtens sind ohne Belang.

Ein von uns vorgelegtes Fachgutachten hält die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung hingegen für zwingend erforderlich. Zumindest ist jedoch eine „allgemeine Vorprüfung“ durchzuführen, welche alle Aspekte und Auswirkungen des Vorhabens und des Standortes umfasst.

An den von der EnBW vorgelegten Gutachten zu Vögeln und Fledermäusen konnten wir erhebliche Mängel nachweisen; so wurden nur 25% der Vorgaben der Landesumweltanstalt erfüllt.

  1. Der VGH sieht keine Rechte des Antragstellers verletzt

Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass aller Voraussicht nach keine unzumutbaren Geräuschimmissionen zu erwarten sind.

Wir hatten kritisiert, dass die Schallprognose mit dem ungeeigneten „alternativen Verfahren“ durchgeführt wurde und stattdessen das „Interimsverfahren“ anzuwenden ist. Der VGH bestätigt unsere Auffassung, dass das alternative Verfahren „nicht zweifelsfrei“ ist, erwartet jedoch auch beim Interimsverfahren keine unzumutbaren Geräuschimmissionen.

Dabei wird an 9 von 12 Immissionsorten das Irrelevanzkriterium verletzt. Ein von uns beauftragtes Gutachten geht davon aus, dass mit einer Überschreitung der Schallrichtwerte zu rechnen ist.

Laut VGH ist jedoch eine geringfügige Überschreitung der Richtwerte hinzunehmen.

Für was sind Richtwerte da, wenn sie nicht eingehalten werden müssen?

  1. Für den VGH ist die Windhöffigkeit unerheblich

Eine geringe Windhöffigkeit sei unerheblich, da auch bei geringen Beiträgen zur Treibhausgasminderung ein besonderes öffentliches Interesse besteht.

Wegen des CO2-Zertifikatehandels kommt es jedoch zu gar keiner Treibhausgasminderung. Auch bleibt unklar worin ein öffentliches Interesse an Windindustrieanlagen ohne Wind bestehen soll.

Der Beschluss des VGH ist unanfechtbar.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes ist aus unserer Sicht sehr bedauerlich. Wir sind bestürzt, dass – aus rein formellen Gründen –  keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt und die Auswirkungen auf Vögel und Fledermäuse nicht geprüft werden müssen. Eine Privatperson (Baunachbar) kann dies nach geltendem Recht jedoch nicht einklagen.

Auch halten wir es für geradezu absurd, dass Beeinträchtigungen für Landschaft und Natur, sowie die Anwohner hingenommen werden müssen, ohne dass von der EnBW ein Nutzen der Windindustrieanlagen nachgewiesen werden muss!!!

Dies ist ein schlechter Tag für den Natur- und Artenschutz, sowie für den Schurwald und seine Bewohner.

Sehr kritisch sehen wir, dass das Eilverfahren länger gedauert hat, als der Bau der Windindustrieanlagen. So wurden vor der Gerichtsentscheidung bereits Tatsachen geschaffen.

NATURSCHUTZ-INITIATIVE e.V. (NI) legt Widerspruch ein und stellt Eilantrag:

Deshalb begrüßen wir sehr, dass nun die NATURSCHUTZ-INITIATIVE e.V. (NI) am 05.01.2018 Widerspruch gegen das Windindustrieprojekt WN-34 Goldboden eingelegt und einen Eilantrag zur Aufhebung der sofortigen Vollziehbarkeit [auf Betriebsstopp] beim Verwaltungsgericht Stuttgart eingereicht hat. Die NATURSCHUTZINITIATIVE e.V.  ist eine staatlich anerkannte  Umweltvereinigung und in Fragen des Natur- und Artenschutzes mitwirkungs- und klageberechtigt.

www.naturschutz-initiative.de

Sollte dieses Verfahren zugelassen werden, würden hierbei auch die bisher unberücksichtigten Aspekte des  Natur- und Artenschutz gerichtlich überprüft werden. Deshalb sind wir zuversichtlich, dass die Genehmigung widerrufen wird und die Windindustrieanlagen stillgelegt werden müssen.

VGH-BW 26.01.2018:   Windräder des Windparks Goldboden-Winterbach dürfen weiterlaufen

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