WN-34 Goldboden: VGH verweigert Artenschutzprüfung

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) lässt den Eilantrag des Umweltverbandes Naturschutzinitiative e.V. (NI) auf Betriebsstopp der drei Windkraftanlagen am WN-34 Goldboden (Winterbach) aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht zu. Hierzu schreibt die Naturschutzinitiative:

———————————————————————————————————-

WN-34 Goldboden: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg lehnt Antrag auf Betriebsstopp für die drei Windkraftanlagen aus formellen Gründen ab

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) hat am 06.03.2019 über den Eilantrag des Umweltverbandes Naturschutzinitiative e.V. (NI) auf Betriebsstopp der drei Windkraftanlagen am WN-34 Goldboden (Winterbach) entschieden. Aus verfahrensrechtlichen Gründen wurde der Antrag nicht zugelassen, weil die Widerspruchsfrist verstrichen sei. In der Sache (Artenschutz) wurde nicht entschieden – so bleibt gerichtlich weiterhin ungeklärt, ob die Genehmigung des Landratsamtes Rems-Murr-Kreis vom Dezember 2016 aus artenschutzrechtlichen Gründen rechtmäßig ist.

Die EnBW hat im Genehmigungsverfahren ein Vogelgutachten vorgelegt, bei dem nur ein Rotmilan-Revier im relevanten 3,3 km-Umkreis der Windkraftanlagen festgestellt wurde. Nach Hinweisen der Forstverwaltung musste später noch ein weiteres Rotmilan-Revier anerkannt werden. Wespenbussard-Reviere innerhalb des hier relevanten 1-km Radius der Windkraftanlagen wurden gar nicht gefunden.

Die von der EnBW vorgelegten Artenschutzgutachten (Vögel und Fledermäuse) haben erhebliche Mängel, so wurden nur 25% der Vorgaben des Landesumweltamtes Baden-Württemberg (LUBW) erfüllt, 29% wurden komplett ignoriert. Trotzdem hat das Landratsamt Rems-Murr-Kreis auf Basis dieser Gutachten die Genehmigung erteilt.

Der Schurwald ist nach unserer Beurteilung ein Hotspot für die Artenvielfalt; so sind weite Teile als NATURA 2000-Gebiete und Landschaftsschutzgebiete geschützt.

Es besteht eine hohe Populationsdichte der windkraftsensiblen Arten Rotmilan und Wespenbussard. In einer Horstkartierung wurden im 3,3 km-Umkreis der Windkraftanlagen am Goldboden vier Rotmilan-Reviere nachgewiesen, eines davon innerhalb des 1 km Radius. Somit besteht hier ein Rotmilan-Dichtezentrum und die Windkraftanlagen hätten u.E. nicht genehmigt werden dürfen. Ferner wurden zwei Wespenbussard-Reviere innerhalb des 1-km Radius der Windkraftanlagen festgestellt. Diese sind ebenfalls ein Ausschlusskriterium für die Errichtung dieser Windkraftanlagen.

Die Artenschutzgutachten der EnBW und der NI könnten unterschiedlicher nicht sein. Während der Gutachter des Investors EnBW in einem mangelbehafteten Gutachten nur ein Rotmilan- und kein Wespenbussard-Revier gefunden hat, konnte der Gutachter der NI vier Rotmilan- und zwei Wespenbussard-Reviere feststellen.

Die Naturschutzinitiative e.V. (NI) hat deshalb innerhalb der 12-Monatsfrist Widerspruch gegen die Genehmigung der Windkraftanlagen eingelegt und einen Eilantrag auf Betriebsstopp gestellt, weil ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für geschützte Vogelarten besteht.

Obwohl es sich um ein Genehmigungsverfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung handelte und hierbei die Widerspruchsfrist grundsätzlich 12 Monate beträgt, hat der VGH entschieden, dass im Fall Goldboden die Widerspruchsfrist nur 1 Monat sei. Auf Antrag der EnBW erfolgte nämlich im Dezember 2016 eine öffentliche Bekanntgabe der Genehmigung, obwohl dies bei einem Verfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung gar nicht vorgesehen ist. Nach der Entscheidung des VGH verkürze sich deshalb die Widerspruchsfrist von 12 auf 1 Monat. Dass die Bekanntmachung nicht den rechtlichen Vorgaben entsprach, ändert hieran nichts.

Dies ist bisher einmalig, denn der VGH Baden-Württemberg ist das erste Obergericht in Deutschland, das eine Entscheidung mit solchem Tenor getroffen hat. Er stellt sich damit gegen die herrschende Rechtsmeinung, ohne dies jedoch substanziell zu begründen.

Eine gerichtliche Prüfung, ob die Genehmigung aus artenschutzrechtlicher Sicht Bestand haben kann, hat nicht stattgefunden. Ob für streng geschützte und windenergiesensible Vogelarten ein erhöhtes Tötungsrisiko besteht, wurde vom VGH nicht geprüft.

Sehr ärgerlich ist auch, dass sich der VGH in diesem Eilverfahren ein Jahr Zeit gelassen hat, um festzustellen, dass er die Klage aus formalen Gründen gar nicht zulassen will.

„Dies ist leider ein schlechter Tag für den Natur- und Artenschutz sowie für den Schurwald und seine Bewohner. Wir sind sicher, dass die Genehmigung gegen den Natur- und Artenschutz und europäisches Recht verstößt“, erklärte Harry Neumann, Landesvorsitzender der Naturschutzinitiative e.V. (NI).

Die NI wird nun weiter rechtlich prüfen, wie sie dem Artenschutz zu seinem Recht verhelfen kann.

www.naturschutz-initiative.de

———————————————————————————————————-

Stellungnahme der BI  PRO SCHURWALD

Mit seiner Entscheidung verhindert der Verwaltungsgerichtshof eine gerichtliche Prüfung, ob die Genehmigung der Windkraftanlagen am Goldboden ordnungsgemäß ist oder nicht. Wir bedauern sehr, dass sich der VGH mit rein formalen Gründen um eine inhaltliche Entscheidung gedrückt hat. Offensichtlich wollte man unbedingt vermeiden die Windkraftanlagen am Goldboden stilllegen zu müssen, denn die Mängel der Artenschutzgutachten der EnBW sind sehr gravierend und die artenschutzrechtliche Situation vor Ort ist eindeutig.

Der Schurwald ist ein „Naturidyll, das auch durch die EU geschützt ist (Stuttgarter Zeitung, 16.03.2019).

Stuttgarter Zeitung 16.03.2019:   Der Schwurwald von der EU geschützt  –  Der Plan für das Naturidyll steht

Aber das spielte für den VGH keine Rolle.

Der EnBW wird eine ungerechtfertigte Rosinenpickerei gestattet; obwohl sie das Genehmigungsverfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung gewählt hat, kommt sie in den Genuss der kurzen Widerspruchsfrist von 1 Monat, die eigentlich nur für Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung gilt und muss noch nicht einmal die Formvorschriften hierfür beachten.

Es ist zu befürchten, dass die Tricksereien der EnBW nun Schule machen und die Rechte der Umweltverbände und Bürger ungerechtfertigt beschnitten werden.

Im Januar 2018 hatte der VGH bereits die Klage eines (privaten) Anliegers gegen die Windkraftanlagen am Goldboden, ebenfalls aus formellen Gründen, abgelehnt.

Auch hier bestätigt sich die Aussage des Ex-Verfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier: „Noch nie war in … der Bundesrepublik die Kluft zwischen Recht und Wirklichkeit so tief wie derzeit.“ (Handelsblatt 12.01.2016).

Und am 05.11.2018 warnte er weiter vor einer Erosion der Rechtsstaatlichkeit in Deutschland:

https://www.focus.de/politik/deutschland/ist-der-rechtsstaat-bedroht-ehemaliger-verfassungsrichter-warnt-dann-erodiert-der-staat-insgesamt_id_9850655.html

Hierzu tragen auch Gerichte bei, die sich mit an den Haaren herbeigezogenen Begründungen um Entscheidungen drücken!

Dieser Beitrag wurde unter Einführung veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.